Mit der Unterstützung von Prof. Dr. med. Ursula Wolf (Professorin für Anthroposophische Medizin, Institut für Komplementäre und Integrative Medizin an der Universität Bern) wurden Fragebogenevaluationen als Dissertation und Masterarbeit von Gruppen- und Onlinekursen abgeschlossen, die aktuell in Publikation sind. Mit dem jetzigen Online-Projekt sollen qualitative Evaluationen mit den Steiner'schen Übungen mit einer größeren Zahl von Teilnehmern ermöglicht werden.

In der tabellarischen Übersicht der Nervositätserscheinungen mit den Übungen aus dem Vortrag Nervosität und Ichheit zeigt sich eine Siebenfältigkeit:

1. Leichte Vergesslichkeit - Gegenstände, die ich wiederfinden will, an recht verschiedene Orte legen und bildhaft einprägen,
2. Das Fernstehen des inneren Seelenkerns, von dem, was der Kopf (bei der Arbeit) treiben muss, eigene Bewegungen des physischen Leibes gegenüber dem, was
   die Seele will - Schreiben wie Malen,
3. Geringes Band von Interesse des menschlichen Seelenkerns mit dem, was die Menschen annehmen – Gedanken rückwärtslaufen lassen,
4. Öffentliches, nervöses Gebaren, schwache Beherrschung von Handlungen und Gebärden - Anschauen der Körperbewegungen, Handlungen willkürlich unterlassen,
5. Krankheitsformen, die organische Krankheiten in täuschender Weise nachbilden, Mühe mit Wunschverzicht - Unterdrückung von unbedeutenden Wünschen,
6. Nicht zu Entschlüssen vorrücken können - Entscheidungen nach Abwägen des Für und Wider und der Machbarkeit treffen,
7. „Seelischer Zappelfritz“, Gedanken nicht ordentlich festhalten und verfolgen können - Nur berechtigte Kritik üben, nicht vorschnell und zu häufig, aus der Sache heraus urteilen.

Im letzten Abschnitt des Vortrags wird insbesondere auf das Zusammenwirken und die Stärkung der Wesensglieder hingewiesen: „Das Richtige wird sein, das ganze Leben so einzurichten, daß die Menschen überhaupt weniger von Krankheiten befallen werden, oder daß die Krankheiten weniger drückend sind. Sie werden weniger drückend sein, wenn durch solche kleinen Übungen der Mensch den Einfluß des Ichs auf den Astralleib, des Astralleibes auf den Ätherleib und des Ätherleibes auf den physischen Leib stärkt. Selbsterziehung und Einwirkung auf die Erziehung sind Dinge, die aus unserer anthroposophischen Grundüberzeugung hervorgehen können.“

Eindrücklich erscheint hier die Hervorhebung der Stärkung der Wesensglieder, wie sie auch bezüglich des (heil-) pädagogischen Grundgesetzes bekannt sind, und der Hinweis auf die Pädagogik:

"Da tritt uns eben ein pädagogisches Gesetz entgegen, das ja in aller Pädagogik erscheint. Das ist dieses, daß wirksam ist in der Welt auf irgendein Glied der menschlichen Wesenheit, wo es auch immer herkommt, das nächsthöhere Glied, und daß es nur dadurch wirksam zur Entwicklung kommt. Zur Entwicklung auf den physischen Leib kann wirksam sein ein im Ätherleib Lebendes, in einem ätherischen Leib Lebendes. Zur Entwicklung auf einen Ätherleib kann nur wirksam ein in einem astralischen Leib Lebendes sein. Zur Entwicklung auf einen astralischen Leib kann wirksam nur ein in einem Ich Lebendes sein. Und auf ein Ich kann wirksam sein nur ein in einem Geistselbst Lebendes.

… Was heißt das? Wenn Sie gewahr werden, daß in einem Kinde der Ätherleib in irgendeiner Weise verkümmert ist, so müssen Sie Ihren eigenen astralischen Leib so gestalten, daß er korrigierend auf den Ätherleib des Kindes wirken kann. Wir können geradezu sagen, mit Bezug auf das Erziehungsschema kann hierher geschrieben werden:

Der eigene Ätherleib des Erziehers muß - und das muß durch seine Seminarvorbildung geschehen -, er muß auf den physischen Leib des Kindes wirken können. Der eigene astralische Leib muß auf den Ätherleib des Kindes wirken können. Das eigene Ich des Erziehers muß auf den Astralleib des Kindes wirken können. Und jetzt werden Sie innerlich sogar erschrecken, denn hier steht das Geistselbst des Erziehers, von dem Sie glauben werden, daß es nicht entwickelt ist. Das muß auf das Ich des Kindes wirken. Aber das Gesetz ist so.“ (Steiner R. Heilpädagogischer Kurs, GA 317, 8. Aufl. 1995, S. 33f.)

Die Wirkprinzipien der Übungen aus dem Vortrag Nervosität und Ichheit beruhen, wie oben angeführt, einerseits in der Sieben- bzw. Achtfältigkeit in ihrer Verwandtschaft zum achtgliedrigen Pfad, den Steiner als Übungen für die Tage der Woche (Steiner R. Anweisungen für eine esoterische Schulung [Sonderausgabe], GA 245,1993, S. 26 ff.) publizierte. Andererseits können Bezüge zur Stärkung der Wesensglieder gefunden werden, die für das (Heil-) Pädagogische entscheidend sind.

Ein weiterer Aspekt der Übungen zeigt sich im Zusammenhang mit Stressreaktionen, wie sie für Ängste und Traumafolgestörungen typisch sind. Steiner 1917 hatte in einem Vortrag zur Psychoanalyse (aus Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen, GA 178, 6. Auflage 2022, Vortrag vom 11.11.1917, S. 159 ff.) erklärt, welches die seelischen Phänomene sind, die bei „nervösen Erkrankungen“ konstatiert und behandelt werden. Diese sind entweder „das unberechtigte Zusammenfallen“, ein „Ineinanderpurzeln“ der Seelentätigkeiten von Denken, Fühlen und Wollen, auf Grund einer geschwächten Wirkung des Ich, oder der „Dissoziation“, des Auseinandergehens, wo der Ätherleib das Ich und die Seelentätigkeiten nicht halten kann.

Die ersten drei Übungen von Nervosität und Ichheit (s. o.) wirken nach Steiner gegen die Tendenz der Dissoziation, indem sie den Ätherleib stärken. Die drei letzten wirken vom Ich aus auf den Astralleib, was besonders bei den Scham- oder Panikreaktionen, wie diese bei den Angststörungen und den posttraumatischen Erscheinungen auftreten, zu beobachten ist. Die vierte Übung steht in der Mitte und hat, je nach Ausführung beide Aspekte. Aus den Prinzipien der Übungsansätze in Beziehung zu den Polaritäten der Stressreaktion, der Tendenz der Dissoziation und zur Scham/Panik mit den oben angeführten Komorbiditäten kann deutlich werden, dass im ABSR-Kurs eine Hilfe zur Stärkung der Wesensglieder errungen werden kann, die einseitigen pathologischen Tendenzen entgegensteht.

Unter diesen Perspektiven kann man den Kurs als Stabilisierungsmethode für den Zusammenhalt der Wesens- und der Seelenglieder durch die praktischen sowie eurythmischen, bzw. heileurythmischen Übungen für Stress-Situationen und somit als Stärkung auch für die pädagogische Tätigkeit betrachten. Insbesondere die freie Ich-Entscheidung und Tätigkeit des Menschen werden damit gestärkt.

Weiterführende Literatur:

• Haas H. Nervosität und Angst, Anthrosana-Heft 237 (in Deutschland bei Gesundheit aktiv)
• Steiner R. Sich selbst erziehen – Das Geheimnis der Gesundheit. Herausgegeben und eingeleitet von Harald Haas, Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 3. Aufl. 2021
• Steiner R. Grenzerlebnisse der Seele – Schreck, Scham Zweifel und schreckvollste Verwirrung. Eingeleitet und kommentiert von Harald Haas. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 2. Aufl. 2021