Ich bin zwei: Licht - Schwere - O
Ich bin zwei
Ich … mich
Jeder Mensch weiss, dass er aus zwei Menschen besteht, dass er ein Ich und ein Ich hat. Er spricht es oft aus, macht es sich aber nicht bewusst:
· Ich wasche mich.
· Ich ziehe mich aus.
· Ich weiss nicht, was ich will.
· Das nehme ich mir übel.
· Ich mag nicht, dass ich so dick bin.
· Ich leide darunter, dass ich so viel Schokolade esse.
· Ich fühle mich gut.
· Ich fühle mich heute gar nicht gut.
Ich … mich … ? Worum handelt es sich dabei? Fragt man einen Menschen, dann erlebt er sich in der Regel als eine Ganzheit, mit der er sich identifiziert. Trotzdem spricht jeder Mensch von sich als von einem Subjekt, das handelt, und gleichzeitig von einem Objekt, das behandelt wird, gefragt wird usw. Jeder Mensch erlebt sich doppelt und drückt das aus, egal in welcher Sprache. Aber fast niemand macht sich bewusst, was er damit über sich sagt.
Dieses Ich und dieses M-ich sind nicht einfach die beiden Hälften einer Sache. Das eine Ich, welches meist zuerst ausgesprochen wird, ist das Ich, das jeden Morgen in den Körper einzieht und ihn am Abend wieder verlässt. Wenn es morgens in den Körper zurückkehrt, versucht es, seine mitgebrachten Impulse zu leben und Erfahrungen zu sammeln. Nach dem Tod zieht dieser Teil von mir weiter von Inkarnation zu Inkarnation. Indem ich lebe, lebt und webt in meinem Innern die ungebundene kosmische Weite all meiner vorhergehenden Inkarnationen. Eigentlich bin ich ein inkarnierter Engel, ein Bengel eben.
Der Körper, der nachts in meinem Bett liegen bleibt, bin aber auch ich und nicht jemand anderes. An diesem Körper haben in einem ununterbrochenen Strom über Millionen von Jahren tausende von Vorfahren mitgewirkt. Unendlich oft wurde er als Ei von einem Samen befruchtet, ist zu einem Erwachsenen geworden, hat sich zu einem neuen Samen bzw. Ei zusammengezogen, hat befruchtet und wurde befruchtet. Ein unendlicher Strom von Ausdehnung und Zusammenziehung. Mein Körper trägt die Erfahrung der ganzen Erdenevolution in sich! Ohne ihn geht hier auf der Erde nichts. Ich muss mit ihm zusammenspannen, um in der Welt wirken zu können. Das unterstützt er, so gut er kann. In ihm finden alle Wachstums- und Heilungsprozesse statt. Beim Tod geht er mit der Erfahrung all seiner Zellen in die Elemente der Erde ein.
Rudolf Steiner hat, angeregt durch die Gestalt dreier samothrakischer Gottheiten in Goethes Faust, humorvoll drei charakteristische Arten dargestellt, wie so ein Engel-Bengel in seinem Topf, seinem Körper, stecken kann. Kennen Sie Menschen, die diesen Gestalten ähneln?
Bin ich wirklich zwei?
Es gibt Kopfmenschen und es gibt Bauchmenschen. Man sagt, das ist ein Blutsmensch, das ist ein Nervenbündel. Man unterscheidet die Lebenslustigen von den Pflichtbewussten usw. Hinter allem steht die Urpolarität des oberen reinkarnierenden und des unteren evolutionären Menschen.
Je nach Neigung identifizieren sich die Menschen mehr mit dem einen oder mit dem anderen. Die esoterisch Interessierten sehen sich als Menschen, die temporär in ihrem Körper wohnen. Sie interessieren sich dafür, wer sie in ihrem letzten Leben waren, was sie davon in sich tragen und was das für ihr jetziges Leben bedeutet.
Andere Menschen identifizieren sich mit den Potentialen, die sie in sich vorfinden, mit ihrer Power, mit ihrem Erfolg, mit ihrer Lebenslust. Hier zählt das, was man kann, mehr als das, was man möchte. Körpererlebnisse werden Faktoren für das Selbstbewusstsein. Man will Erfahrungen machen und am Ende des Lebens sagen können, dass man gelebt hat.
Im Alltag machen wir uns meist nicht bewusst, welcher unserer beiden Menschen gerade überwiegt, und mit welchem der beiden wir uns gerade identifizieren. Oberer und unterer Mensch erhalten sich gegenseitig am Leben und es gibt alle Arten von Mischungen. Ohne Körper kann ich nicht auf der Erde leben und sobald ich mich nicht mehr inkarniere, löst sich mein Körper auf und stirbt. Jede Zelle unseres Körpers kann nur leben, wenn beide Pole anwesend sind und zusammenwirken.
Ich bin Eins
Gesund ist man nur, wenn beide, das Ich und das M-ich, dynamisch zusammenwirken. Sind sie sich fremd, verlieren sie das Gefühl füreinander. Dann sagt man: „Ich fühle mich nicht gut.“ Umgekehrt gilt: Wenn unsere beiden Menschen sich fühlen, sich gegenseitig wahrnehmen, d.h. Kontakt haben, dann entstehen Harmonie und Gesundheit: „Ich fühle mich gut.“ Dann bin ich Eins mit mir selber. Darauf zielen alle Körpertherapie-Methoden ab.
Theodor Hundhammer
Vom Ort zum Wort, 2012
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Oberer-Unterer-Mensch.pdf